Die hausnahen Parkanlagen (Lothar Konietschke)

Bei kunstgeschichtlichen Betrachtungen stehen in der Regel die bildenden Künste im Vordergrund. Architektur, Malerei und Plastik haben eindeutigen Vorrang gegenüber der Gartengestaltung, die in den einzelnen Zeitepochen nur am Rande erwähnt wird. Wo jedoch Bau- und Gartenkunst zu einer engen Einheit verknüpft sind, werden beide Disziplinen auf eine Stufe gestellt. In besonderem Maße gilt das für die nach französischen Vorbildern angelegten Barockgärten des ausgehenden 17. Jahrhunderts.

Der Vorrang der bildenden Künste ist verständlich. Ihre Werke bestehen aus Materialien, die Jahrhunderte unbeschadet überdauern können. Dagegen besteht der Werkstoff der Gartenkunst, wenn man einmal von dem plastischen Schmuck absieht, vorwiegend aus Pflanzen mit begrenzter Lebensdauer. Die Erhaltung historischer Kunstgärten ist daher nur durch ständiges Nachpflanzen und intensive Pflege möglich. Die Vernachlässigung dieser Arbeiten würde kurzfristig zum Verfall führen, und zwar umso schneller, je kunstvoller die Bepflanzung angelegt war. Von den zahlreichen Gärten an den Herrenhäusern der Renaissance und des Barock sind aus diesem Grunde nur ganz wenige in der ursprünglichen Form erhalten geblieben. Aber auch dort, wo es sich um Rekonstruktionen des alten Zustandes handelt, sollte uns die Pflege dieser Anlagen, die zu den Höhepunkten der Gartenbaukunst zählen, ein hohes Anliegen sein.

Auch die Parkanlagen von Schloss Berge gehören dazu; sie verdeutlichen zugleich den Übergang vom Begriff des mittelalterlichen »Haus« zum »Schloss« französischer Prägung als Inbegriff neuer Kultur. Das im 13. Jahrhundert angelegte feste Haus war durch ein doppeltes Grabensystem geschützt, dessen äußerer Ring bereits größere Gartenflächen einschloss. Sie dienten vor allem der hausnahen Versorgung in Notzeiten. Im Spätmittelalter bereicherten die Hausherren den Garten durch das Sammeln von fremden Pflanzen und eiferten hierbei den botanischen Neigungen der Gelehrten und Patrizier nach, denen sie an den Universitäten nahe standen. So entstand zunächst ein Zier- und Nutzgarten mit Laubengängen.

An fröhliche Gartenfeste mit Schäferspielen in lauschigen Bosquetts (König Luwig XIV. veranlasste erst 1661 den Leiter der Tuileriengärten Andrée Le Notre zur Anpflanzung von Baumhainen (Bosquetts) für seine Residenz, die wie Räume wirkten und mit Statuen, Fontänen, Säulen und Grotten ausgeschmückt wurden.) dachte noch niemand. Das entwickelte sich erst mit der Wandlung von der Wehrburg zum repräsentativen Herrensitz, die um 1700 auch in der näheren Umgebung zur Anlage reich ausgestatteter Kunstgärten führte, Gärten, die durch ihre geometrische Linienführung die Architektur des Herrenhauses fortsetzten und mit ihm zu einer gestalterischen Einheit zusammenwuchsen. Derartige Anlagen gehörten selbst beim Landadel zum gesellschaftlichen Standard, der seine höfischen Ambitionen an französischen Mustern orientierte. Dort, wo man Schloss und Garten als Einheit neu planen konnte, waren die Gartenachsen streng auf das Schloss als beherrschenden Mittelpunkt ausgerichtet.

Wegen der örtlichen Gegebenheiten war dieses Ideal bei kleineren Herrensitzen oft nicht zu realisieren, und die Gärten wurden dann den bestehenden Gebäuden seitlich angefügt. Auf rechteckig zugeschnittenen Flächen, in unserem Raum die Regel, von Wassergräben umgeben, mit hohen Hecken und Laubengängen eingefasst, bildete der Garten einen geschlossenen Raum, der gegenüber der offenen Landschaft durch starke Pflanzungen abgeschirmt war.
Als Material für die Randpflanzungen wählte man Schnitt vertragende Gehölze wie Linde, Ulme und Hainbuche, aus .denen man strenge Architekturformen bildete. Solitärpflanzen wurden als Kegel, Zylinder, Pyramiden oder Kugeln zurechtgeschnitten. Auch immergrüne Gehölze setzte man ein, um unerwünschte Sichten abzuschirmen. Zur Ausgestaltung der Parterreanlagen zeichneten die Gärtner wahre Kunstwerke an farbenprächtiger Ornamentik, deren Konturen z. T. durch beschnittenen Buchs gekennzeichnet waren, z. T. aber auch aus farbigem Sand, Kies, Ziegelmehl, Muscheln und Kohlengrus. Dazwischen leuchteten Tulpen, Nelken, Löwenmaul, Hyazinthen und Narzissen, eine Ausstattung also, die während des ganzen Jahres intensive Pflege erforderte.

Der französische Garten am Schloss Berge ist aus diesen Stilelementen entstanden. Über die gestalterischen Einzelheiten gibt es zwar keine zeitgenössischen Darstellungen, aber genügend Anschauungsmaterial für eine sinnvolle Rekonstruktion, z. B. die schöne Kupferstich-Folge, die der belgische Maler Roidkin 1730 vom benachbarten Schlosspark in Herten angefertigt hat. Zuschnitt und Gliederung der Gartenfläche in Berge ist noch aus den Katasterplänen von 1822 und 1920 abzulesen. Als wichtigste Belege für die Erstanlage des Gartens können die Reste des Figurenschmuckes angesehen werden, die etwa um 1700 entstanden sein dürften, wahrscheinlich in Zusammenhang mit der ersten baulichen Erweiterung des Hauses.

Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass zur gleichen Zeit in der engsten Nachbarschaft ähnliche Anlagen belegt sind. Am Schloss Herten wurde mit dem Bau des Barockgartens nach dem Wiederaufbau des Schlosses (Brand 1687) um 1700 begonnen und 1725 mit der Fertigstellung der Orangerie abgeschlossen. Am Hause Lüttinghof, dass ebenso wie Schloss Herten der Familie von Nesselrode gehörte, ist die Anlage des franzöischen Gartens durch mehrere Quittungen aus den Jahren 1703-1715 nachgewiesen. Auch hier geht dem Gartenbau der Ausbau des Herrenhauses voraus. Sowohl in Herten als auch in Lüttinghof waren Bildhauer der Familie Gröninger (Münster) beteiligt, denen auch die Gartenplastiken in Schloss Berge zugeschrieben werden. Wahrscheinlich stammen sie von Johann Mauritz Gröninger (1650-1707), der um 1700 nachweislich in der näheren Umgebung tätig war. Es ist naheliegend, dass sich benachbarte Adelsfamilien bei der Gestaltung ihrer Anlagen der gleichen Künstler bedienten.

Das Prinzip des französischen Gartens blieb bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bestehen, bis zu den Spätformen des Rokoko. Erst nach 1800 wurde die streng gegliederte Form durch die offene Parklandschaft des englischen Gartens abgelöst, der sich im Berger Park südlich an den geschlossenen Barockgarten anschließt, um sich dann zu dem sanft abfallenden Gelände des Berger Feldes zu öffnen. So reichte der Blick vom Herrenhaus über den Park hinweg bis in die Emscherniederung.

Je stärker diese Idylle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die zunehmende Industrialisierung des Raumes eingeengt wurde, desto mehr wurde die heil gebliebene Welt in der weiteren Umgebung von Schloss Berge zum Anziehungspunkt für die Erholung suchende Bevölkerung. Es lag daher nahe, dass die Stadt Buer alles daran setzte, den durch die Kriegs- und Nachkriegszeit arg mitgenommenen Besitz an sich zu ziehen und in ein umfassendes Grünkonzept einzugliedern. Das gelang nach langen Verhandlungen im Jahre 1924. Gemessen an der Wirtschaftskraft der Stadt Buer waren erhebliche Mittel erforderlich. Die Kosten für den Ausbau des Grüngürtels konnten bis 1928 aus Mitteln für »Notstandsarbeiten« gedeckt werden.

Nach dem Erwerb des Schlosses mit seinen ausgedehnten Parkanlagen und Ländereien wurde unter der Leitung des damals amtierenden Gartenamtsleiters Ernst Max Gey der »Französische Garten« als wichtiges Teilstück des Buer’schen Grüngürtels stilgerecht rekonstruiert. Der umfassende Rahmen besteht aus einer drei Meter hohen Hainbuchenhecke. Daran schließen sich großblumige Rhododendren und baumartige Magnolien an. Trompetenbäume sind an der östlichen und südlichen Seite als Auflockerung in den Rahmen mit einbezogen worden. Der südliche Ausgang des Hauptweges wird flankiert durch zwei alte Eiben. Die auf der östlichen Seite stehende ist ca. 280 Jahre alt. Beide Eiben sind unter Naturschutz gestellt. Hinter der westlichen Hecke steht eine Doppelreihe alter Platanen.

Hinter der östlichen Begrenzung wurde zur Pflege botanischer Neigungen ein kleiner Kräutergarten angelegt, wie er dem Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts entsprach. Das Gartenparterre ist durch drei Längs- und drei Querwege unterteilt. Der Hauptweg wird durch ein kunstvoll bepflanztes Rundbeet und eine runde Platzfläche unterbrochen. Die Rasenflächen sind mit Pflanzbändern umfasst. Buchsbaumfiguren wie Spiralen, Kugeln, Bären und Pfauen sind in symmetrischer Anordnung darauf gepflanzt.

Von den alten Sandsteinfiguren waren bei der Übernahme des Besitzes noch vier erhalten geblieben:

1 Figur Flora mit einem Fruchtkorb (links), 1 Figur Apollo (?) mit der Harfe (Mitte), 1 weibliche Figur unter der Kastaniengruppe im englischen Garten (rechts).
1 Kriegerfigur (?David) in der Achse des Schlosshofes, die im Detail stark an das Letmathe-Epitaph von Gerhard Gröninger in Dom zu Münster erinnert.

Nur die weibliche Figur ist im Original erhalten geblieben. Es ist aber fraglich, ob sie zur Gruppe der Gartenplastik gehört hat. Die glatte Rückseite mit Spuren einer Verankerung und der relativ gute Erhaltungszustand lassen eher darauf schließen, dass die Figur als Architekturplastik konzipiert war und längere Zeit in einem Innenraum stand. Die anderen 185 cm hohen Plastiken waren z. T. schwer und so stark verwittert, dass eine Steinkonservierung nicht mehr möglich war. Nachdem der Torso des »David« schon früher demontiert worden war, fertigte der Essener Bildhauer Röver 1960/61 von den Figuren des »Apollo« und der »Flora« aus Bamberger Sandstein Nachbildungen, die heute im französischen Garten stehen. Von den Originalen existieren nur noch Lichtbilder.

Die Blütenpracht des französischen Gartens kommt bereits im Frühjahr zur Entfaltung, erreicht ihren Höhepunkt im Sommer und klingt erst im Spätherbst aus. Zweimal im Jahr werden Pflanzbänder und Rundbeet mit Blumenschmuck versehen.

Die Herbst- bzw. Frühjahrspflanzung:
2 000 Tulpenzwiebeln werden im Herbst auf das Rundbeet gepflanzt. 13 000 Stiefmütterchen (7 500 blaue und 5 500 gelbe) kommen im Frühjahr hinzu. Sie werden auf die Blumenbänder gepflanzt. Die gelben umsäumen den Hauptweg und die Querwege, die blauen die beiden Seitenwege.

Die Sommerbepflanzung

Das »Wappen der Stadt Gelsenkirchen« zeigen auf dem Rundbeet bodendeckende, zum Beschneiden geeignete Sommerpflanzen und schwach wachsende Sommerblumen. Allein hierfür werden 16 900 Pflanzen verwendet:

8000 Alteantheren (rosa) bilden die Rahmenpflanzung für die Kirche 600 Escheverien (grau) werden für das Kirchengebäude benötigt
1000 Alteantheren (gelb) füllen die Türen und Fenster aus
1000 Antenarien (grau) bilden die Rahmenpflanzung für den Baum
600 Pileen (grün) sind für die Herstellung des Baumes notwendig
550 Ageratum (blau) und 400 Escheverien (grau) umgeben den Löwen 600 Iresinen (rot) stellen den Löwen dar
500 Santolinen (grau) sind für die beiden Schlegel gepflanzt
1150 Begonien (rot) füllen die beiden Seitenfelder und das Kopffeld aus 2500 Abtenien (gelblich) werden für die verbleibenden Freiflächen verwendet.


Für die rasenbegrenzenden Blumenbänder werden benötigt:
14700 Begonien: 7700 (hellrosa) höher wachsend und 7000 (dunkelrosa) schwach wachsend.
Die höher wachsenden schmücken die Seitenwege und die niedrig wachsenden den Hauptweg sowie die von ihm ausgehenden Querwege. Diese Aufstellung verdeutlicht, wie viel materieller und ideeller Einsatz notwendig ist, um den Hauptakzent des Buerschen Grüngürtels, den »Französischen Garten« in alter Schönheit zu erhalten.

Die Besucherzahlen der Berger Schlossanlagen zeigen, dass die Stadtvertretung damals eine weitsichtige Entscheidung fasste. Die Stadt ist bemüht, die kunst- und kulturhistorischen Denkmäler, hier insbesondere die Gartenkunst durch ständige Pflege und Erneuern der relativ kurzlebigen Pflanzen zu erhalten. Heute ist die Grünzone um Schloss Berge ein unersetzlicher Faktor für die Wohn- und Lebensqualität dieser Stadt. Darum ist dieses Gebiet auch im Flächennutzungsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und im Gebietsentwicklungsplan als Freizeit- und Erholungsschwerpunkt festgelegt.

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